Die 4 Strategien gegen den Wohnstress sollen helfen, sich vor dauerhaften Belastungen der Wohnung zu schützen. Dies ist ein zentrales Wohnbedürfnis. Stressfaktoren des Wohnens zu beseitigen ist vor allem deshalb wichtig, weil diese über einen sehr langen Zeitraum wirken, und damit auch eine Belastung für unsere Gesundheit darstellen. Außerdem sind Dinge, die wir täglich um uns haben, häufig so vertraut, dass wir sie nicht mehr als Belastung wahrnehmen. Wir haben uns daran gewöhnt, was nicht heißt, dass die Belastung weg ist.
Fühlen Sie sich Zuhause nicht so wohl, wie Sie sich das wünschen, so können Sie dies ändern, indem Sie Wohnstresse erkennen und beseitigen. Der nächste Schritt ist es dann, Stressfaktoren durch erholsame Gestaltung zu ersetzen.
Vor welchen Belastungen sprechen wir hier? Wohnstresse sind nicht nur Belastungen, die so massiv wirken, wie etwa eine Autobahn in der Nähe, sondern vor allem Stressfaktoren, die durch das Wohnen direkt entstehen und oft schwer zu erkennen sind. Zum besseren Überblich, wollen wir hier 4 unterschiedliche Formen von Wohnstress beschreiben.
Wohnstress 1 – Reizüberflutung – Ihre Sinne werden stärker gereizt, als es für Sie gut ist
Wohnstress 2 – Wohnkonflikte – Die Raumaufteilung führt zu Konflikten in der Wohnnutzung
Wohnstress 3 – Unsicherheit – aus mangelnder Geborgenheit entsteht ein diffuses Gefühl der Unsicherheit
Wohnstress 4 – Ineffizienz – der Alltag ist beschwerlicher als dies sein müßte, weil die Wohnung ineffizient gestaltet ist
Die 4 Strategien gegen den Wohnstress
Diese 4 Formen von Wohnstress gilt es zu erkennen und zu beseitigen. Dazu können wir die 4 Strategien anwenden, die ich im Anschluss näher beschreibe:
- Das Reizniveau Ihren Bedürfnissen anpassen
- Aktive und passive Wohnfunktionen trennen
- Plätze der Geborgenheit herstellen
- Alltagsfunktionen vereinfachen
Hier wollen wir uns diese 4 Strategien im Detail ansehen.
gegen Wohnstress 1 – Wahrnehmungsqualität herstellen
Wahrnehmung ist für unsere Sinne so etwas wie die Nahrung für unseren Körper. Wir brauchen Sie um psychisch bei Kräften zu bleiben. In einer Zeit der Reizüberflutung wird es immer wichtiger, darauf zu achten, mit welchen Reizen man sich umgibt. Achten wir nicht darauf, so ist das gleichzusetzen mit einer ungesunden Ernährung, es ist so als ob wir täglich Junck Food essen würden. Die Folgen von ungesunder Ernährung sind hinreichend bekannt. Nicht so ist es mit der Nahrung für unsere Sinne und für unser Nervensystem. Eine hohe Wahrnehmungsqualität in der Wohnung und Wohnumgebung wirkt auf längere Sicht sehr positiv auf unser Nervensystem und kann Phänomenen wie dem Burn Out vorbeugen. Wahrnehmungsqualitäten sind also ein wesentlicher Beitrag für unsere Gesundheit. Dabei sollten alle Sinne berücksichtigt werden, also auch der Geruchssinn oder der Tastsinn. Hier eine Aufstellung möglicher Wahrnehmungsstresse:
- Eine unruhige Gestaltung durch zu viele optische Reize
- Geräusche aus anderen Zimmern oder von außen
- Schlechte Akustik – es hallt im Raum
- Materialien, die man nicht gerne angreift
- Oberflächen, die ein gewisse Verletzungsgefahr ausstrahlen (z.B. raue Oberflächen oder spitze Kanten)
- Überhitzung
- Blendung
Diese Punkte haben gemeinsam, dass sie zu viele Reize bieten. Stress kann jedoch auch entstehen, wenn zu wenige Reize vorhanden sind, wie etwa bei:
- Monotoner Gestaltung
- Zu wenig Beleuchtung oder Tageslicht
- Vollkommener Stille
2 Möglichkeiten Wahrnehmungsstress zu korrigieren
Grundsätzlich können wir die Quantität oder die Qualität von Reizen verändern, beides führt zu einer besseren Wahrnehmungsqualität und wird sich für Sie besser anfühlen. Hierzu einige Beispiele:
Licht
Ein zu dunkler Raum kann durch mehr Lichtquellen erhellt werden, wir können jedoch auch das Lichtspektrum unseren Bedürfnissen anpassen. Wir können z.B. ein warmes Licht dort verwenden, wo wir uns entspannen wollen und uns geborgen fühlen.
Gestaltung
Eine zu unruhige Gestaltung kann korrigiert werden, indem wir Dinge wegnehmen. Wir können jedoch auch auf die Qualität der Gestaltung einwirken, indem wir Dinge verwenden, die in uns angenehme Gefühle oder Erinnerungen wecken.
Geräusche und Akustik
Eine schlechte Akustik können wir durch weiche Materialien dämpfen, wir können jedoch auch angenehme Geräusche in einen Raum bringen, wie etwas das Plätschern eines Zimmerbrunnens
Wärme
Zu viel Wärme (Überhitzung) kann durch Abschattung korrigiert werden, wir können jedoch auch eine angenehme Wärme wie die Strahlungswärme herstellen.
Meine Empfehlung für dieses Thema lautet also:
Betrachten Sie Ihre Räume hinsichtlich aller Sinnesmodalitäten, stellen Sie fest, ob hier jeweils zu viele oder zu wenig Sinnesreize (Quantität) vorhanden sind und korrigieren Sie möglichst mit qualitativen Reizen, oder anders formuliert, können sie sich diese Frage stellen:
Welche Reize sind zu viel oder zu wenig, und wie kann ich dies meinen Bedürfnissen anpassen?
Hier drängt sich eine wichtige Frage auch, was ist wenn der Partner dies anders empfindet? Dies kann sehr wohl der Fall sein. Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung von Wärme, es gibt unterschiedliche Geschmäcker, und es kann sein, dass Sie hochsensibel sind, und Ihr Partner nicht, oder umgekehrt. Dies bedeutet, dass die gemeinsame Gestaltung von Räumen eine intensive Kommunikation verlangt, wo die eigenen Empfindungen, aber auch die eigenen Bedürfnisse vermittelt werden sollten. Im Blogartikel Wohnkonflikte und Wohn-Glück habe ich diese Thematik näher beschrieben.
Gegen Wohnstress 2 – Wohnfunktionen trennen
Vor allem bei Familien entsteht viel Stress durch unterschiedliche Nutzung. Diese Nutzungskonflikte führen meist zu einem Gefühl der Beengung, ev. zu einem Rückzugsverhalten, manchmal auch zu Aggression. Also sind Nutzungskonflikte eine wesentlicher Stressfaktor, der leider durch die moderne Bauweise genährt wird. Es ist naheliegend, dass ein Gemeinschaftsbereich, in dem Kochen, Essen und Wohnen in einem Raum stattfinden, zu Konflikten führen muss. Einige typische Beispiele dafür:
- Eine Person will lesen, die andere Fernsehen oder Musik hören
- Eine Person will den eigenen Hobbys nachgehen und dabei möglichst wenig gestört werden, die Kinder spielen
- Eine Person hat Freunde eingeladen, die zweite Person will aber nicht dabei sein
Diese Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Sobald zwei oder mehrere Menschen zusammen leben, werden laufend unterschiedliche Bedürfnisse vorhanden sein, die ein Denken in Zonen nahelegen. Jedes Bedürfnis braucht Raum und somit sollten Tätigkeiten, die sich gegenseitig stören auch räumlich getrennt sein.
Praktikabel ist eine Trennung von aktiven und passiven Wohnfunktionen. Dies bedeutet, dass es im Gemeinschaftsbereich einen Raum für den Alltag, für die Hausarbeit, für das Beisammensein und für das Spielen der Kinder geben soll. Ein zweiter Raum kann dann als ruhiger Rückzugsbereich dienen. Mehr Zonen sind nicht nötig, weniger sind nicht passend. Die Aufteilung des Gemeinschaftsbereiches in zwei Räume ist ein Hauptthema im Buch „das Familienhaus“.
Gegen Wohnstress 3 – Plätze der Geborgenheit schaffen
Geborgenheit ist ein zentrales Wohnbedürfnis, das ich im Blogartikel „Bauen für Geborgenheit“ näher beschrieben habe. Dort habe ich auch die Grundformel für räumliche Geborgenheit beschrieben, nämlich „sehen ohne gesehen zu werden“. Wenn Sie sich in Ihrem Zuhause Plätze schaffen, wo Sie Überblick haben, gleichzeitig aber nicht von außen beobachtet werden können, haben Sie die Grundvoraussetzung für Geborgenheit geschaffen. Zahlreiche Gestaltungsmittel können dies unterstützen, wie etwa die Verwendung weicher Materialien, warmer Farben oder auch von runden Formen. Mehr dazu können Sie in meinem Artikel nachlesen.
Machen wir uns hier jedoch noch etwas Gedanken, wie das Gefühl der Unsicherheit entsteht. Grundsätzlich entsteht Unsicherheit beim Verlust von Kontrolle. Wenn wir also nicht mitbekommen, was um uns herum passiert und keinen Einfluss darauf haben. Der beste Einbruchschutz kann diese Unsicherheitsgefühle nur marginal beeinflussen. So betrachtet hat Sicherheit nicht nur mit der eigenen Wohnung zu tun, sondern sehr viel mit dem Umfeld und der Nachbarschaft. Sicherheit entsteht, wenn wir die Nachbarn kennen und wenn wir darauf vertrauen können, dass sich diese zuständig fühlen, wenn Unvorhergesehenes passiert. Gerade bei der Auswahl von Wohnungen oder auch von Grundstücken sollte man auf das Umfeld achten.
Gegen Wohnstress 4 – Alltagsfunktionen vereinfachen
Nun sind wir wieder bei einem Thema, das mit den Innenräumen zu tun hat. Wenn Sie das Gefühl haben Ihr Wohnalltag ist sehr anstrengend, könnten ev. diese Gründe dahinter stecken:
- Sie müssen mehr Wege zurück leben, als dies notwendig ist
- Sie können die Haushaltsführung (Kochen, Waschen, Bügeln usw.) schwer mit der Kinderaufsicht verbinden
- Es ist schwer Ordnung zu halten, weil zu wenig Stauraum vorhanden ist
Es kann seine, dass diese Stressfaktoren schwer zu ändern sind, nämlich dann, wenn die Gründe in der Raumaufteilung liegt, die nicht zu ändern ist. Und doch können Lösungsansätze gefunden werden, wenn man Funktionen verändert. Sehen wir uns dies nun im Detail an:
Wegeführung
Ein richtig aufgeteilter Grundriss führt automatisch zu einer passenden Wegeführung. Probleme könnten entstehen, wenn Kochen und Essen nicht unmittelbar aneinander grenzen. Ist dies der Fall, so könnte geprüft werden, ob man diese Situation durch eine Umnutzung verändern kann. Optimal für die Haushaltsführung ist die Essküche. Wenn Ihre Küche groß genug ist, können Sie zumindest einen kleineren Esstisch dort unterbringen.
Haushalt und Kinderaufsicht
Der Familientisch in der Küche ist optimal um Haushalt und Kinderaufsicht gut verbinden zu können. Für kleine Kinder ist es wichtig in der Nähe der Mutter (oder des Vaters) spielen zu können. Daher ist eine Spielfläche in Küchennähe optimal. Am besten geeignet ist ein großer Raum, wo mehrere Funktionen verknüpft werden können.
Staumöglichkeiten
Stauraum mit wenig Fläche zu schaffen ist ein Hauptthema verschiedener Möbelhäuser. Bevor Sie sich auf den Weg machen, sollte dieser Stauraum zumindest grob geplant werden. Eine Liste dessen was verstaut werden soll kann hilfreich sein, dabei können Sie auch gleich überlegen, was den Weg in den Altstoff finden kann.
Überblick zum Thema
Dieser Artikel bietet einen kurzen Überblick zu den Themen, die beim Wohnen Stress verursachen können. Die vorgestellten Strategien gegen den Wohnstress sind vielfältig anwendbar, werden jedoch im individuellen Fall jeweils anders aussehen. Wichtig ist es das Problem (die Stressfaktoren) zu lokalisieren. Meist wird dann bereits ein Lösungsweg sichtbar.
Viel Spaß bei den kreativen Lösungen wünscht
Herbert Reichl
Danke für die vielen praktischen Beispiele und Lösungsvorschläge!
Wir haben zuhause schon mit wenig Aufwand einen düsteren Raum in einen freundlichen verwandelt: Das Vermeiden von Schattenflächen und ein flauschiger Teppich in warmen Orangetönen wirkten Wunder.
Also: Mut zur Gestaltung und Veränderung! Es lohnt sich ….
Danke Claudia, für deinen freundlichen Kommentar
Was ich aus deinen Zeilen heraus lese, kann ich voll unterstützen. Es geht oft um den Mut, oder auch das Vertrauen in das eigene Gespür, die eigenen Bedürfnisse, die man wahrnimmt, wenn man in sich hinein horcht.
Wahrzunehmen, was in einem vorgeht, ist der erste Weg zur Neugestaltung. Ein Kerngedanke meiner Blogartikel ist es, dazu anzugregen, über das Wohnen nachzudenken, und dem eigenen Gespür zu vertrauen. Modetrends können dieses Gespür sehr schnell untergraben.
Mit lieben Grüßen
Herbert
Lieber Herbert,
danke Dir für diesen tollen Artikel! Mir hilft die Systematik sehr, mit der Du die Wohnstress-Faktoren beschreibst.
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Liebe Anne Barbara!
Danke für Deine Anmerkung. Systematik hat bei mir deshalb eine so hohe Bedeutung, weil man speziell bei Wohnthemen schnell Einzelaspekte übersieht. Da hilft es wenn man sich an einer Struktur anhalten kann und Schritt für Schritt alles durchgeht.
Herzliche Grüße
Herbert